Büro für Politik und Kommunikation
Grundsatzartikel zum Thema: Lobbying
Zu den spezifischen Arbeitsfeldern der PR gehört das Lobbying. Die nachfolgenden Ausführungen widmen sich diesem von manchen als geheimnisvoll, undurchschaubar und dubios angesehenen Thema, wobei die grundsätzlichen Ausführungen sich auf die politische und gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik Deutschland beziehen. Was für Deutschland gilt, ist allerdings auch - mit einigen Variationen - auf das Lobbying auf europäischer Ebene anzuwenden, wozu in einem knappen Schlußkapitel über Brüssel und die EU einige Aussagen getroffen werden.
Definition des Lobbying
Lobbying ist ein wichtiger Teil der (vernetzten) Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit von Gruppen, Verbänden oder Unternehmen. Lobbying ist darauf gerichtet, politische Entscheidungsträger von der Richtigkeit bestimmter ideeller, wirtschaftlicher, administrativer oder gesetzgeberischer Maßnahmen zu überzeugen. Insoweit handelt es sich um die legitime Vermittlung von Informationen und die Darstellung von Zusammenhängen mit dem Ziel, für spezifische Vorhaben Mehrheiten im (demokratischen) Willensbildungsprozeß zu erzielen.
Vorurteile über das Lobbying
Die oben aufgestellte Definition entspricht allerdings nicht dem weit verbreiteten negativen Vorurteil über die „bösen“ Lobbyisten, die in den Chambres séparées von Edel-Lokalen oder in teuren Nacht-Clubs ihren finsteren Geschäften nachgehen, um bei Champagner und Hummer (und auch unter Einsatz ihrer Scheckbücher) politische Entscheidungsträger „einzulullen“ und gefügig zu machen.
Dieses Vorurteil hält sich hartnäckig, und es paßt gut in das Klischee von der Allmacht der Wirtschaft und der Beeinflußbarkeit von Politik. Außerdem erweckt es den Eindruck, als wenn die Vertretung bestimmter Interessen etwas Unrechtes sei, wenn schon nicht illegal, dann aber zumindest illegitim.
Dabei wird – und das ist die andere Seite des negativen Vorurteils – auch immer wieder gefordert, für dieses oder jenes müsse man sich einsetzen, man müsse dafür „Lobby machen“. Da geht es dann um Fragen des Umweltschutzes oder Sozialpolitik, und fast jeder hat auch schon einmal die Klage gehört, es geschehe zu wenig Positives, weil die Lobby fehle, z.B. wenn es heißt: „Kinder haben keine Lobby“.
Woher kommt der Begriff?
Der Begriff „Lobby“ kommt ursprünglich aus der lateinischen Sprache, in der „lobia“ das Wort ist für eine Galerie, für einen überdachten Gang. Die Briten haben dann diesen Begriff übernommen und den Vorraum ihres Parlaments, des Unterhauses, „Lobby“ genannt. Dort, vor den Türen der „Mutter aller Parlamente“, trafen sich die Abgeordneten mit Bittstellern und Interessenvertretern, mit allen, die mit ihnen reden wollten. Die Lobby ist ein offener Ort: Was dort passiert, ist für alle einsehbar, kann also von daher schon nichts Geheimnisvolles sein. Jeder darf sehen, wer mit wem spricht. Niemand hat etwas zu verbergen.
Für wen wird Lobbying gemacht?
Lobby wird gemacht oder – wie der übliche Begriff lautet – „betrieben“ für Ideen und für Interessen. Für ideelle Vorstellungen zu werben und für politische sowie wirtschaftliche Interessen einzutreten, ist legitim.Dabei gibt es eine ganze Palette von Institutionen, Körperschaften, Verbänden und Unternehmen, für die und für deren Interessen Lobbying betrieben werden kann. Diese Palette umfaßt gemeinnützige Institutionen und Verbände (z.B. caritative Organisationen, kulturelle Stiftungen und wohltätige Einrichtungen), berufsständische Verbände von Gewerkschaften bis zu Handwerkskammern, die Organisationen der Arbeitgeber und die wirtschaftlich ausgerichteten Verbände der Industrie, und das alles häufig nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer und internationaler Ebene. Der Oeckl, das seit langem zum Standardwerk gewordene „Taschenbuch des Öffentlichen Lebens“, ist voll von Institutionen, die Interessen haben und diese gegenüber den politischen Entscheidungsträgern zu Gehör bringen wollen.Dabei ist es keineswegs so, daß alle diese Organisationen etwa gleichgerichtete Interessen verträten. Umweltschutzverbände haben oft (wenn auch längst nicht immer) ganz andere Anliegen als die Industrie oder der ADAC, Gewerkschaften und Arbeitgeber zielen mit ihren Lobby-Aktivitäten fast nie in die gleiche Richtung, und es wäre schon fast ein Wunder – um ein weiteres Beispiel zu nennen -, wenn bei Beratungen zur Gesundheitsreform Ärzte, Krankenkassen, Krankenhausträger, Pharma-Unternehmen und Hersteller von Medizinprodukten an einem Strang ziehen würden.Verschiedene Interessen konkurrieren miteinander, und die Aufgabe der politischen Entscheidungsträger ist es, Argumente zu hören, zu gewichten und in eine Gesamtpolitik, für die das oft zitierte „Gemeinwohl“ Richtschnur ist, einzuordnen. Deswegen kommt es für alle, die Lobbying betreiben, entscheidend darauf an, die – weiter unten geschilderten – Prinzipien des Lobbying als Teil einer Überzeugungsstrategie einzuhalten.Im übrigen wird Lobbying nicht nur von Dachorganisationen oder übergeordneten Verbänden betrieben, sondern auch von Einzelunternehmen, die an politischen Entscheidungsprozessen und Gesetzgebungsvorhaben spezifische Interessen haben, denen es aber auch um Aufträge der öffentlichen Hand und Geschäftsanbahnungen im nationalen und internationalen Bereich geht.
Bei wem wird Lobbying gemacht?
Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, für welches Ziel Lobbying betrieben wird und um welches Thema es geht. Das politische System der Bundesrepublik Deutschland ist teilweise sehr kompliziert, wenn es um die Kompetenzen von Bund, Ländern und Gemeinden geht. Für Gesetze sind die gewählten Parlamente zuständig, Verordnungen können (teilweise nur mit Zustimmung von gesetzgebenden Körperschaften) auch von Regierungen erlassen werden. Durchführungsbestimmungen fallen im Regelfall ausschließlich in die Kompetenz der Exekutive. Bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht kommt es zu oft kaum noch durchschaubaren Abstimmungsregularien.Erforderlich ist deswegen, für jedes „Anliegen“, dem durch Lobbying Nachdruck verliehen werden soll, ein auf den jeweiligen Sachverhalt ausgerichtetes Lobby-Konzept zu erarbeiten. Hier ist – um es mit einem Bild aus der Mode zu umschreiben – der Maßschneider gefragt, nicht aber Konfektionsware „von der Stange“.
Generell sind folgende Adressaten von Lobbying denkbar:
Auf Bundesebene der Bundestag als das direkt gewählte Parlament und der Bundesrat, in dem die Repräsentanten der 16 deutschen Landesregierungen sitzen, die Landtage in den einzelnen Bundesländern, soweit diese für bestimmte Sachfragen eine Zuständigkeit (wie etwa im Kultur- und Bildungsbereich) haben, oder auch im Einzelfall Kommunalparlamente wie Stadträte oder Kreistage (hier gab es Mitte der 90er Jahre das Beispiel der von einer Reihe von Gebietskörperschaften geplanten kommunalen Verpackungssteuer)
Einzelne Mitglieder dieser Parlamente, soweit es sich um Experten für bestimmte Sachfragen handelt oder auch die Fraktionen oder Gruppen in den jeweiligen Parlamenten
Die Regierungen im Bund und in den Ländern, wobei Ansprechpartner sowohl in der politischen Spitze wie auch auf der Ebene der zuständigen Fachbeamten identifiziert werden müssen
In Einzelfällen, die von der Verfassung geregelt sind, auch der Vermittlungsausschuß, ein „gemischtes“ Gremium von Bundestag und Bundesrat, das in strittigen Fällen nach „Kompromissen“ und gemeinsamen Lösungen sucht
Die politischen Parteien, die Programme verabschieden, sich mit vielen Sachfragen beschäftigen, über Fachausschüsse oder Parteigliederungen verfügen und die damit auf Entscheidungen von Parlamenten und Regierungen durchaus (wenn auch unterschiedlich wirksamen) Einfluß ausüben
Politische Spitzenorganisationen, z.B. der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Landkreistag
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Wichtig sind aber nicht nur die politischen Entscheidungsträger selbst. Denn diese leben schließlich nicht im „luftleeren Raum“, sondern in einem Geflecht von politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und medialen Zusammenhängen.Deshalb wird Lobbying im Sinne von Überzeugungs- und Informationsarbeit auch gemacht bei:Medien. Auch hier muß ein „maßgeschneidertes“ Programm erarbeitet werden. Es gibt Themen, die sich für die Boulevardpresse oder die überregionalen und regionalen Tageszeitungen eignen. An anderen Sachverhalten sind eher die „klassischen“ politischen Print-Magazine, die Wochenzeitungen oder auch die „yellow press“ interessiert. Manches ist für Unterhaltungssendungen des Fernsehens und des Rundfunks ein „gefundenes Fressen“, anderes eher für investigative Magazin- oder verbraucherorientierte Service-Sendungen. Und nicht zu vergessen der ständig wachsende Markt von wissenschaftlichen und von allgemeinverständlichen Fachpublikationen, also jenen Medien, die sich auf ein „special interest“ konzentrieren.Denkbaren “Koalitionspartnern”. Es ist immer nützlich, Unterstützung von „dritter Seite“ zu erhalten, von Umweltschutzverbänden, Verbraucher- oder Autofahrer-Organisationen, Gewerkschaften, Kirchen, “benachbarten” Industriezweigen. Es hängt auch hier vom Thema und vom Ziel ab, wen man für ein gemeinsames Lobbying als Bündnispartner gewinnen möchte. Für „Lobby-Koalitionen“ gilt oft die Weisheit: vereint ist auch der Schwache stark.
Wer macht das Lobbying?
Die vom Bundestag herausgegebene „Bekanntmachung der öffentlichen Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern“ umfaßte im Jahr 1997 insgesamt 1631 Verbände und Institutionen. Freilich sind längst nicht alle am Sitz von Parlament und Regierung ansässig. Aber registriert sind sie alle. Seit einiger Zeit gibt es auch das Lobbyregister beim Deitschen Bundestag.
Wer konkret das Lobbying betreibt, hängt vom Einzelfall und auch vom Umfang der zu bearbeitenden Themen ab. Auch hier gibt es eine bunte Palette verschiedener Möglichkeiten:
Eigene Verbandsvertretungen am Sitz von Parlament und Regierung unterhalten im Regelfall nur große und national tätige Organisationen.
Beauftragte (das können Agenturen, Einzelpersonen mit guten Kenntnissen der politischen Zusammenhänge und der handelnden Personen oder auch zunehmend – nach amerikanischem Beispiel Anwälte sein) sind oft als Lobbyisten tätig.
Eigene Firmenrepräsentanzen leisten sich im Normalfall nur große – oft auch international aktive – Unternehmen.
Wer auch immer für eine Institution oder eine Firma Lobbying betreibt, hat auf der einen Seite eine Ratgeberfunktion für die Leitung von Verbänden und Institutionen sowie für Unternehmensführungen. Zugleich ist er Mittler zwischen diesen “übergeordneten” Stellen und der Politik im weitesten Sinn.
In diesem Zusammenhang ist eine Tatsache wichtig: Auch Abgeordnete gehören vielfältigen Organisationen an und sind insoweit – wiewohl nach dem Art. 38 GG dem Gemeinwohl verpflichtet – so etwas wie Vertreter bestimmter Grundüberzeugungen oder auch Interessen. Im Abgeordnetengesetz ist vorgeschrieben, daß der Bundestag sich Verhaltensregeln gibt. Diese bestimmen unter anderem, daß wirtschaftliche und andere Tätigkeiten angegeben werden müssen, „die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können...“. Festgelegt wird darin auch, daß „Art und Höhe der Einkünfte, wenn ein festgelegter Mindestbetrag überschritten wird,“ angegeben werden müssen. Gleiches gilt für Spenden.
Auch hier ist Transparenz ein oberstes Gebot. Denn auch die Abgeordneten sind gehalten, die Prinzipien eines demokratiekonformen und ehrlichen Lobbying einzuhalten.
Ein ebenso inhaltsreiches wie allgemeinverständliches Standardwerk zum Thema Lobbying hat Anfang der 80er Jahre der damalige Bonner Wirtschaftskorrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Klaus Broichhausen, geschrieben. Unter dem Titel „Knigge und Kniffe für die Lobby in Bonn“ (bibliographische Angaben am Ende dieses Beitrags) ergeht sich der Autor nicht in „grauen“ Theorien über die Rolle von Interessenorganisationen in einer demokratischen Gesellschaft. Vielmehr erläutert er die Möglichkeiten des Lobbying, gibt praktische Tips und stellt „Gebote“ für erfolgreiches Lobbying auf. Leider ist dieses Buch vergriffen, und eine Neuauflage ist nicht geplant. Manches von dem, was in den folgenden Kapiteln ausgeführt wird, hat Broichhausen sinngemäß vor Jahren schon niedergeschrieben, damals noch konzentriert auf Bonn. Doch was für Bonn galt, gilt seit 1999 auch für Berlin.
Broichhausen geht von der (zutreffenden) These aus, daß Politiker und Beamte nicht alles selbst wissen. Sie sind auf Informationen, auf Faktenwissen und auf die Kenntnis von Gesamtzusammenhängen angewiesen. Hier beginnt die Aufgabe des Lobbyisten, der gleichsam eine Scharnierfunktion zwischen seiner Organisation bzw. seinem Unternehmen und den politischen Entscheidungsträgern wahrnimmt.
Ziele des Lobbying
Die Ziele des Lobbying lassen sich wie folgt definieren:
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Überzeugte bestärken
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Skeptische überzeugen
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Gegner nachdenklich machen
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Auf jeden Fall: Vertrauen schaffen
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Dadurch: Bestimmte Vorhaben durchsetzen
Grundsätzlich sind zwei strategische Ziele denkbar:
Den „status quo“ erhalten. Dies ließe sich als „konservierendes“ Lobbying umschreiben, also als der Versuch, einen bestehenden Gesetzeszustand nicht zu verändern, z.B. wenn Interessengruppen darum kämpfen, bestehende Subventionen beizubehalten und weder abzuschaffen noch zu kürzen.
Neue Ideen voranbringen. Das ist „progressives“, auf neue Entwicklungen ausgerichtetes Lobbying, etwa wenn es darum geht, bessere und umweltfreundlichere Kraftstoffe einzuführen.
Prinzipien des Lobbying
Lobbying muß sich, wenn es erfolgreich sein will, an folgenden Prinzipien ausrichten:Ehrlichkeit, Wahrheit und sachbezogene Argumentation sind oberstes Gebot. Die vorgetragenen Informationen müssen stimmen und dürfen nicht „geschönt“ sein. Sie müssen nachprüfbar sein und mit Zahlen und Fakten untermauert werden.Klarheit der Aussagen und der Informationen sind wichtig, zumal die meisten Politiker aufgrund ihrer dichtgedrängten Terminkalender nicht unbegrenzt Zeit haben, sich mit neuen oder teilweise unbekannten Sachverhalten zu beschäftigen.Lücken im Wissensstand von Politikern, Beamten und sonstigen Entscheidungsträgern müssen gefüllt werden. Diese müssen den Eindruck gewinnen, daß sie etwas erfahren, was sie zuvor nicht gewußt haben, was aber für ihre Entscheidungen von Bedeutung ist. Deswegen empfiehlt es sich, nicht nur mündliche Erläuterungen zu geben, sondern auch schriftliches Material – übersichtlich und logisch zusammengestellt – zur Verfügung zu stellen.Insoweit Informationsvorsprünge für die politischen Entscheidungsträger zu schaffen, ist eine Aufgabe des Lobbyisten. Informationswege auch innerhalb der Hierarchie eines Ministerium (beispielsweise zwischen den politischen Spitzen eines Ressorts und der Referatsebene) zu verkürzen, ist eine andere.Dabei sollte der Lobbyist nicht nur seine Argumente übermitteln und seine Informationen weitergeben, sondern auch seine eigenen Motive offen und ehrlich darlegen. Das können auch wirtschaftliche Interessen sein. Diese Absichten zu haben, ist nicht unehrenhaft. Im Gegenteil. Unehrenhaft hingegen wäre es, solche wirtschaftlichen Interessen zu verschweigen oder hinter angeblicher Wohltätigkeit zu verstecken. Parteipolitische Unabhängigkeit ist für den Lobbyisten eine unabdingbare Voraussetzung. Das schließt nicht aus, daß er eine eigene politische Meinung hat oder auch einer politischen Partei angehört, zumal viele Lobbyisten aus dem Umfeld der Administrationen, der Parteien und der Fraktionen kommen. Aber der Lobbyist muß gleichsam „über den Parteien“ stehen, zumal er seine Botschaften an alle politischen Richtungen gleichermaßen „adressieren“ will und soll.Ein weiteres Prinzip ist es, sparsam mit „Gefälligkeiten“ zu sein. Gegen eine Einladung zu einem Essen, ein Geschenk zum Geburtstag oder einen Blumenstrauß zum Dienstjubiläum ist nichts einzuwenden. Aber jedes „Zuviel des Guten“ wäre vom Übel. Der Lobbyist soll überzeugen mit Argumenten, nicht überreden bei Kaviar und Champagner.
Voraussetzungen für erfolgreiches Lobbying
Institutionenkunde ist besonders für ausländische Klienten, die mit dem politischen System in der Bundesrepublik Deutschland nicht vertraut sind, von großem Interesse. Aber auch bei deutschen Firmen und Organisationen klaffen oft erheblich Wissenslücken z.B. über den verschlungenen Weg von Gesetzgebungsverfahren. Diese Lücken zu füllen, ist eine der Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Lobbying.Kenntnis der „großen“ politischen Zusammenhänge, Wissen um Grundströmungen und auch aktuelle Informationen über die sogenannten „Tagesereignisse“ gehören zum Rüstzeug eines guten Interessenvertreters.Zugleich sollte er sich für seine Organisation, seine Firma oder seine Klienten ein “Frühwarnsystem“ aufbauen, um durch rechtzeitiges Monitoring, also die Beobachtung politischer Tendenzen, so frühzeitig wie möglich Pläne für Gesetzgebungsvorhaben zu erkennen.Dazu bedarf es der Fähigkeit zur politischen Analyse und zur Informationsverwertung.In diesem Zusammenhang kommt der Kontaktpflege eine eminente Bedeutung zu. Von besonderer Wichtigkeit sind die Herstellung und die Pflege von Netzwerken, das aus regelmäßigen Gesprächspartnern und Experten besteht.
Instrumente des Lobbying
Intensive Einzelgespräche mit denen, die Entscheidungen treffen, mitbestimmen oder vorbereiten, sind das wichtigste Instrument des Lobbying. Um solche Gespräche zu organisieren, sind persönliche Beziehungen nützlich, wenn es um das door-opening geht. Generell aber ist selbst dann, wenn solche persönlichen Kontakte fehlen, bei den meisten Politikern und Beamten die Bereitschaft vorhanden, sich Informationen anzuhören und die Möglichkeiten zum Meinungsaustausch zu nutzen.Schriftliche Informationen sollten – wie schon erwähnt – vorbereitet und den jeweiligen Gesprächsteilnehmern ausgehändigt werden. Das Sprichwort „Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“ gilt auch für das Lobbying. Was mündlich vorgetragen wird, bleibt auch bei dem aufmerksamsten Gesprächspartner nicht immer bis ins letzte Detail haften. Deswegen ist es auf jeden Fall sinnvoll, schriftliches Material zu übergeben.Präsentationen vor Zielgruppen (z.B. den Arbeitskreisen der Fraktionen des Deutschen Bundestages) machen nur dann Sinn, wenn sie mit einzelnen Mitgliedern dieser Gremien abgesprochen und – sowohl was den Ablauf wie was die Inhalte angeht – mit diesen vorher besprochen worden sind. Im übrigen finden solche Präsentationen häufig auch unter Einbeziehung weiterer Personen und Institutionen statt, die an einem bestimmten Thema interessiert sind. Dabei ist nicht von vornherein auszuschließen, daß auch „Andersdenkende“ hinzugebeten werden, um Probleme auch von der sogenannten „anderen Seite her“ zu beleuchten. Umso wichtiger ist auch für solche Präsentationen eine substantielle inhaltliche und dramaturgische Vorbereitung.„Parlamentarische Abende“, zu denen Politiker, Ministerialbeamte und andere Gäste eingeladen werden, erfreuen sich seit langem und nach wie vor großer Beliebtheit. Im Regelfall sind sie aber vor allem ein „act de presénce“, also ein politisch-gesellschaftliches Ereignis. Angesichts der meistens recht großen und fluktuierenden Teilnehmerzahl ist es bei solchen Veranstaltungen relativ schwierig, detaillierte „Botschaften“ gezielt an den entscheidenden Mann oder die entscheidende Frau zu bringen. „Parlamentarische Abende“ bieten sich daher vor allem für größere Firmen, Verbände und Institutionen an, um ein „Get-together“ zu organisieren.Anhörungen in den Parlamentsausschüssen sind nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages und der meisten Länderparlamente nur für Verbände offen, die im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahren zu einem „Hearing“ eingeladen werden. Einzelunternehmen werden im Regelfall zu solchen Anhörungen nicht eingeladen.Anfragen aus dem Kreis des Parlaments an die Regierung sind ein probates Mittel, um für bestimmte Themen öffentliches Interesse hervorzurufen, angefangen von den mündlichen Anfragen einzelner Parlamentarier für die Fragestunde des Parlaments über Kleine Anfragen von Parlamentariergruppen oder Fraktionen bis hin zu den sogenannten (meist umfangreicheren) Großen Anfragen, die nach der Geschäftsordnung etwa des Deutschen Bundestages von diesem in einer Debatte diskutiert werden. Einzelnen Parlamentariern oder auch den Fraktionen des Bundestages bei der inhaltlichen Vorbereitung solcher Anfragen zu helfen, gehört zu den wichtigen Aufgaben eines Lobbyisten.
“Brüssel” und die EU
„Brüssel“ – als Synonym für die Europäische Union und ihre verschiedenen Institutionen – ist in jeder Hinsicht ein ganz „eigenes Kapitel“. Die in den vorhergehenden Abschnitten gemachten Ausführungen gelten im Prinzip zwar auch für die EU. Aber in Brüssel, Straßburg und Luxemburg sowie im Zusammenspiel der nationalen europäischen Regierungen ist alles noch ein wenig komplizierter. Dies auch deswegen, weil in Europa nicht nur verschiedene politische Richtungen miteinander konkurrieren, sondern es darüberhinaus auch – häufig die Parteien durchaus übergreifenden – „nationalen Interessen“ geht.
Dabei wird die EU zunehmend wichtiger, weil mehr und mehr Politikfelder nicht mehr auf der nationalen Ebene ( allein ) entschieden werden, sondern im Rahmen der europäischen Harmonisierungsbestrebungen eben von „denen in Brüssel“. Das gilt nicht nur für die Agrarpolitik, sondern zunehmend auch für viele andere Bereiche, vom Umweltschutz bis zur Verkehrspolitik.
Auf europäischer Ebene wird Lobbying betrieben bei:
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der EU-Kommission, die über die Einhaltung des Europäischen Rechts zu wachen hat und zu deren wichtigsten Aufgaben es gehört, Richtlinien-Entwürfe einzubringen,
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dem Europäischen Parlament, das zunehmend mehr Rechte erhält, nicht nur, was Anhörungen und Mitbestimmung betrifft, sondern immer öfter auch Mitentscheidungsbefugnisse hat, gegen dessen Votum also europäisches Recht nicht beschlossen werden kann, sowie
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den Ministerräten, in denen die nationalen Regierungen vertreten sind und die manche Entscheidungen nur einstimmig, andere dagegen auch mit Mehrheit treffen können.
Schlußbemerkung
Lobbying ist – wenn man die in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen Grundsätze beherzigt und die Instrumentarien beherrscht – alles andere als eine Geheimwissenschaft. Vielmehr paßt es sich ein in ein umfassendes PR- und Kommunikationskonzept für Verbände, Institutionen und Unternehmen. Allerdings handelt es sich insoweit um ein spezielles Feld, als Lobbying eine umfassende Kenntnis der politischen Gegebenheiten und Zusammenhänge sowie der handelnden Entscheidungsträger voraussetzt.
© Jürgen Merschmeier, Büro für Politik und Kommunikation, Berlin/Bonn
Literatur:
Broichhausen, Klaus, Knigge und Kniffe für die Lobby in Bonn, München, 1982
Sebaldt, Martin, Organisierter Pluralismus, Kräftefeld,, Selbstverständnis und politische Arbeit deutscher Interessengruppen, Opladen, 1997, (diese überarbeitete Fassung einer Habilitationsschrift enthält eine Fülle weitergehender Literaturangaben)
Strauch, Manfred (Hrsg.), Lobbying, Wirtschaft und Politik im Wechselspiel, Frankfurt 1993
Nachbemerkung: Dieser Artikel stammt im wesentlichen aus dem Jahre 1999, also aus einer Zeit, als die elektronischen Kommunikationsmittel und die sogenannten „sozialen“ Medien ihren Siegeszug gerade erst begannen. Deswegen finden sich in dem Text auch keine Erwähnungen von Internet, Webseiten oder anderen elektronischen Prozeduren und Instrumenten. Die Aussagen zu den Begrifflichkeiten Gebote, Instrumente, Prinzipien des Lobbying mussten aber gegenüber dem Text von 1999 nicht neu formuliert werden, weil sich „im Prinzip“ nichts geändert hat.